gepflegt von der Schnauze bis zur Pfote
Hundecoiffeuse Brigitta Kalbermatter spinnt Wolle aus Hundehaar -
auch die Terrier Oki und Diego tragen Hund.
Foto: Diana Ulrich
Man trägt jetzt Hund
Erschienen in der Sonntagszeitung mit freundlicher Genehmigung
Sonntagszeitung-Artikel von Chris Winteler
Wärmer als Schafwolle, weich wie Kaschmir: Kleidung aus Hundehaar ist nicht nur bei Hündelern en vogue.
Aber riecht man darin nach Hund?
Besuch im Hundesalon Dog-Style – «Gepflegt von der Schnauze bis zur Pfote» – in
Oberweningen ZH. Brigitta Kalbermatter erwartet Kundin Ucca. Nägel machen und Haare ausbürsten
stehen an. Die Eurasier-Hündin habe eine «traumhafte Unterwolle», sagt die Hundecoiffeuse. Bestens
geeignet, um daraus Garn zu spinnen.
Ein Seelenwärmer vom verstorbenen Hund
Als Hundecoiffeuse ist Brigitta Kalbermatter, 63, an der Quelle. Das Auskämmen der Unterwolle gehört
zur regelmässigen Hundepflege – was in der Bürste hängen bleibt, sammelt sie. Und fast täglich würden
ihr Pakete mit Hundehaar zur Verfügung gestellt. Nur schönes Haar, bitte, sage sie all ihren Kunden,
«das ums Fudi könnt ihr wegwerfen».
Viele Hundehalter und noch mehr Hundehalterinnen hätten das Bedürfnis, ein wärmendes
Kleidungsstück aus dem Haar ihres Lieblingszu tragen: Mensch und Tier im Partnerlook. Andere
wünschen sich ein Andenken an den verstorbenen Hund – sie beginnen Haare zu sammeln, wenns mit
dem Tier abwärtsgeht. Was gebe es Schöneres als ein Seelenwärmer aus der Wolle des treuen
Begleiters? Meist jedoch reiche die Menge bloss für ein Armstösschen.
Chiengora aus Deutschland
In Deutschland ist man bereits einen Schritt weiter: Ann Cathrin Schönrock und Franziska Uhl haben das
neue Geschäft mit der Ressource Hund professionell aufgezogen. 2020 gründeten sie mit Modus Intarsia
das erste Unternehmen weltweit, das Wolle aus Hundehaar herstellt.
Chiengora nennen sie das Garn – der Name kombiniert das französische Wort für den Hund mit der
Textilfaser Angora. Mit ihrem Start-up wollen sie Chiengora als nachhaltige Alternative in der
Modeindustrie etablieren.
Das Garn sei von der Qualität und den Eigenschaften her vergleichbar mit Kaschmir, sagt Ann Cathrin
Schönrock: Es kratzt nicht, hält viel wärmer als Schafwolle, hat klimaregulierende Eigenschaften und
kann selbst von Menschen mit Tierhaarallergie getragen werden. Vor allem aber müssen die Hunde, im
Gegensatz zu anderen Wolllieferanten, nicht leiden.
Ungenutzte Ressource Hundehaar
Bereits vor sieben Jahren haben die innovativen Frauen begonnen, Hundehalter zum Sammeln der
ausgekämmten Unterwolle zu motivieren. Inzwischen existieren Sammelstellen in mehreren Ländern,
so auch in der Schweiz. Schönrock schätzt, dass in Europa jedes Jahr mehr als 1000 Tonnen der bisher
kaum genutzten Ressource Hundehaar weggeworfen werden.
Garne, Accessoires und Kleider aus Chiengora werden online verkauft – vom Stirnband für 49.95 Euro
bis zum Cardigan für 1700 Euro. Flauschiges in Naturtönen für Mensch und Tier, den rassigen
Hundepulli gibts für 169.95 Euro. Auf Wunsch wird auch Kleidung aus der Wolle des eigenen Hundes
gestrickt.
Wärmer als Schafwolle: Garn vom Husky, Golden Retriever oder Collie.
Foto: Diana Ulrich
Sie trägt Hund von Kopf bis Fuss
Hundecoiffeuse Kalbermatter trägt Hund von Kopf bis Fuss. Sie schwört auf Hundewolle, weil sie
warm – und vor allem wasserabweisend ist. Und stinkt man darin wie ein nasser Hund? Die Frage
nach dem Geruch komme immer! Ihre Antwort: «Natürlich nicht! Kaschmir riecht ja auch nicht nach
Ziege.» Vor der Weiterverarbeitung würden die Fasern gründlich gereinigt. Gefärbt wird ihr Garn nicht,
es soll natürlich bleiben.
Auf Bestellung strickt sie Armstulpen, Schals, Mützen oder Socken. Finken verkauft Brigitta Kalbermatter im
Dog-Style-Salon für 65 Franken. Das Verspinnen der Unterwolle zu Garn ist viel Arbeit, den Pulli muss man
sich leisten wollen: 100 Gramm Garn vom Schäferhund kosten 35 Franken.
Ein Leckerli zur Belohnung: Brigitta Kalbermatter und Hundebesitzer Klaus Wastl mit Eurasier Ucca.
Foto: Diana Ulrich
Auch Hund trägt Hund – Hundemänteli seien derzeit besonders gefragt. Brigitta Kalbermatter und ihr
Mann sind leidenschaftliche Hundesportler, ihre zwei Cairn Terrier Oki, 3, und Diego, 11, betreiben
Mantrailing, sie verfolgen die Spur eines Menschen aufgrund einer Geruchsprobe. Vor dem sportlichen
Einsatz, quasi zum Aufwärmen, werden ihnen Mäntelchen aus Hundewolle angezogen. Oki trägt Chow-
Chow, Diego Schäferhund. Selber geben die Terrier nur Material für Deko her, Schutzengeli oder
Herzchen, zu kratzig sei ihr Haar.
Es läutet an der Tür. Ucca, 5, und ihr Herrchen treffen ein. Klaus Wastl, Uccas stolzer Besitzer, sagt, er
habe bereits einen Schal aus dem beige-goldenen Haar seiner Hündin, «er kratzt nicht und ist flauschig
weich». Als Nächstes soll ihm Ucca eine warme Wintermütze bescheren.
Brigitta Kalbermatter ist eine von wenigen Anbieterinnen von Produkten aus Hundewolle in der Schweiz.
Das Geschäft laufe super, sagt sie, besser denn je. Inzwischen habe es sich vor allem unter Hündelern
herumgesprochen, dass Hunde auch Wolllieferanten seien. Vorausgesetzt, der Hund hat eine
sogenannte Unterwolle, also ein Winterfell.
Das Auskämmen der Unterwolle gehört zur Fellpflege dazu.
Foto: Diana Ulrich
Besonders geeignet sind Rassen wie Berner Sennenhund, Collie, Golden Retriever oder Chow-Chow.
Und natürlich Huskys, die Inuit haben die Wolle ihrer Hunde der Wärme wegen immer schon geschätzt.
Pudelhalter hingegen bekommen von ihrem Tier keine Pudelmütze: Der Pudel hat keine Unterwolle.